Die Umstellung des Internets auf Protokoll IPv6 ist bereits seit Jahren Thema - allerdings haperte es an der Umsetzung. Am Mittwoch wollen nun 1400 Unternehmen umstellen, darunter Google, Facebook und Kabel Deutschland. Der Nutzer soll davon allerdings nichts mitbekommen.

Seit Jahren bereiten Politik und Wirtschaft die Umstellung auf ein neues Internet-Protokoll vor. Getan hat sich bisher nur wenig: Mehr als 99 Prozent der Datenmenge werden nicht über IPv6 (Internet-Protokoll, Version 6), sondern nach dem veralteten Standard IPv4 transportiert. Dessen Problem: Die damit möglichen 4,3 Milliarden IP-Adressen, also Hausnummern für jedes ans Internet angeschlossene Gerät, sind erschöpft. Ein Aktionstag am Mittwoch, der World IPv6 Launch Day, soll die Umstellung vorantreiben. Mehr als 1400 Unternehmen in aller Welt, darunter auch Google, Facebook und Microsoft, wollen an diesem Tag ihre Webseiten so auf den neuen Standard umstellen, dass sie mit beiden IP-Versionen erreichbar sind.

Die großen Internet-Service-Provider wie die Deutsche Telekom oder Kabel Deutschland haben die Umstellung intensiv vorbereitet. Ihre Kunden sollen davon nichts mitbekommen. Wer einen alten Router hat, der nur IPv4 versteht, muss nicht befürchten, auf einmal kein Internet zu haben. Provider wie die Deutsche Telekom haben die Voraussetzungen für einen als "Dual Stack" bezeichneten Parallelbetrieb geschaffen, wollen aber sichergehen, dass da auch wirklich nichts schief geht - für die Netztechniker durchaus ein Kraftakt.

Zuletzt testete die Deutsche Telekom bis April auch DSL-Anschlüsse in der Umgebung von rund 200 Heimanwendern. "Die Tests waren für uns eine Bestätigung, dass Dual Stack, so wie wir es einführen wollen, auch wirklich läuft", sagt der IPv6-Experte bei T-Systems, Christian Hahn. Nun will die Deutsche Telekom nach derzeitiger Planung Ende des Jahres ihren ersten Endkunden IPv6 bereitstellen. Das sollen zunächst diejenigen Kunden sein, die einen reinen IP-Anschluss haben und nicht über einen alten T-Net-Anschluss oder ISDN telefonieren.

"Bisher bewegt sich das ganze IPv6-Schiff noch sehr langsam", kritisiert der Vorstandsvorsitzende des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (eco), Michael Rotert. "Es wäre wichtig, dass endlich einer der großen Massen-Provider mit dem Rollout beginnt". Anders als in Europa sei die Knappheit von IP-Adressen in China oder Indien bereits deutlich spürbar. "Wenn Europa einen Zahn zulegen würde, dann hätte das auch international Vorbild-Charakter".

Die Internet-Wirtschaft hofft auch auf zusätzliche Geschäfte, wenn das neue Protokoll erst einmal Wirklichkeit ist. Unter dem Schlagwort vom "Internet der Dinge" könnten etwa alle Arten von elektronischen Geräten im "digitalen Heim" einen direkten Anschluss ans Internet bekommen.

So mühsam die Umstellung auch ist, Experten wie der deutsche Internet-Pionier Rotert, der 1984 die erste nach Deutschland geschickte E-Mail erhielt, denken schon darüber hinaus. Da IPv6 bereits 16 Jahre alt sei, hätte man in der Zwischenzeit "anfangen können, ein wirklich modernes IPv8 zu entwickeln". Diese übernächste Version des Internet-Protokolls könnte von vornherein mehr Sicherheitsfunktionen integrieren, erklärt Rotert. "Außerdem könnte es so gestaltet werden, dass die Diskussion über Cybercrime endlich aufhört - anstatt immer wieder den Providern Kontrollaufgaben zuzumuten und von ihnen zu verlangen, Inhalte zu kontrollieren oder auf Vorrat zu speichern."

Zunächst aber geht es jetzt um den langen Abschied vom überholten Standard IPv4. Gert Döhring, DE-CIX-Experte beim Internet-Austauschknoten DE-CIX in Frankfurt am Main, schätzt, dass die gesamte Umstellung etwa zehn Jahre dauern könnte. "Eine flächendeckende Nutzung von IPv6 ist erst dann möglich, wenn keine alten Endgeräte mehr genutzt werden."

Datenschützer mahnen zur Sorgfalt

Kritisch begleitet wird die Umstellung von den Datenschützern. "Die nach dem neuen Internetprotokoll IPv6 vergebenen Internetadressen haben das Potential, zu Autokennzeichen für jeden Internetnutzer zu werden", erklärte Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar am Dienstag. "Umso wichtiger ist es, dass bei der Umsetzung des neuen Standards mit der notwendigen Sorgfalt vorgegangen und der Datenschutz berücksichtigt wird."

Um die technisch mögliche eindeutige Identifizierung jedes Internet-Teilnehmers zu verhindern und weiterhin eine anonyme Nutzung zu ermöglichen, können sogenannte Privacy Extensions in IPv6 genutzt werden. Dabei wird ein Teil der neuen IP-Adresse gewissermaßen ausgewürfelt.

Schaar erinnerte an die Empfehlungen des Deutschen IPv6-Rats, wonach es auch künftig keine persönliche Identifizierung aufgrund der IP-Adresse geben soll. "Die Datenschutzbehörden in aller Welt werden darauf achten, dass die entsprechenden Anforderungen in der Praxis beachtet werden", kündigte Schaar an. Der IPv6-Rat ist ein Forum der Internet-Wirtschaft mit Vertretern aus Wissenschaft und Verwaltung.

Quelle: digitalfernsehen.de