Zum Tode verurteilte Verbrecher werden in China vor ihrer Hinrichtung noch einmal im Provinzfernsehen interviewt. Offizielle Begründung: Die Talkshow soll der Abschreckung dienen. Makabrerweise entpuppt sich das Format als Publikumsliebling.
Meist haben sie nur noch kurz zu leben. Vor ihrer Hinrichtung werden die Verurteilten noch interviewt. Millionen chinesischer Fernsehzuschauer verfolgen wie gebannt jeden Samstag zur besten Sendezeit die letzten Worte der Todeskandidaten. Der gruselige TV-Hit heißt "Interviews vor der Hinrichtung". Seit fünf Jahren läuft die Serie im Justiz-Kanal des Fernsehens der Provinz Henan. Mehr als 200 Verbrecher hat Moderatorin Ding Yu schon interviewt.
Bei dem öffentlichen Abschied auf dem Weg zum Henker fließen manchmal Tränen der Reue, doch ist nicht immer Bedauern zu spüren, eher Resignation. "Wie konnten Sie das tun? Sie sind doch keine Bestie", fragt Ding Yu in einer Episode den Anführer einer Bande, Liu Fuquan. Irrtümlich hatten die Gangster eine Zwölfjährige entführt, dann festgestellt, dass ihre Familie gar nicht reich war, das Mädchen aber trotzdem getötet.
"Dann verdiene ich die Anklage wohl", sagt Liu Fuquan ohne Bedauern. Er grinst frech, scheint auch das weitere Interview nicht ernst zu nehmen. Am Ende sagt Ding Yu: "Ich will offen sein: Ich bin froh, dass Sie geschnappt wurden. Sie sind der Abschaum der Gesellschaft." Der Bandenführer antwortet: "Jeder dürfte das sagen. Wenn ich weiterlebe, werden noch mehr Menschen zu Schaden kommen."
In China werden mehr Menschen exekutiert als im Rest der Welt zusammen. Die Zahl ist ein Staatsgeheimnis. Nach Schätzungen dürften es 4000 Menschen sein, die durch Erschießen oder Giftspritze jedes Jahr hingerichtet werden. "Die Anwendung der Todesstrafe in einem verschlossenen System, in dem es an Unabhängigkeit der Justiz und wesentlichen Rechten der Verteidigung mangelt, ist im höchsten Maße problematisch", sagt Nicholas Bequelin von der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch. Fragwürdig findet Bequelin auch die Umstände, unter denen die Todeskandidaten den Interviews zustimmen.
Die Justizbehörden suchen meist Mörder und Gewaltverbrecher für die TV-Show aus, obwohl die Todesstrafe auch wegen nicht gewaltsamer Verbrechen wie Korruption verhängt wird. Wurden Todeskandidaten früher noch in Stadien vorgeführt, soll auch die Doku-Serie der Abschreckung dienen. Erfinder Lu Peijun dankt dem "humanitären Geist der Justizreform", dass seine Show möglich wurde.
Egal ob die Verbrecher Reue oder Kälte zeigten - es habe Bedeutung für jedes Leben, "bevor die Seele den Körper verlässt", schreibt Lu Peijun im Vorwort eines Buches von Moderatorin Ding Yu über die Verbrecher. "Ich habe keine Sympathie für sie", wird der Fernsehstar in der Wochenzeitung "Shidai Zhoubao" zitiert. "Sie tun mir nur leid."
Einige schildern ihre blutigen Taten, andere entschuldigen sich bei den Familien ihrer Opfer. Den Zuschauer lässt es gruseln. "Ist angestaute Wut ausgebrochen?", fragt Ding Yu den Mörder Bao Rongting, der seine Mutter umgebracht und sich dann an ihr vergangen hat. Ob es Streit um seine Homosexualität gegeben habe? "Um es einfach zu sagen: Es ging um Geld und Sex", antwortet er. "Bedauern Sie es jetzt, Ihre Mutter getötet zu haben?", fragt sie ihn. "Nein, sie war 70", sagt der Mörder und fügt hinzu: "Ich habe ihr ein langes Leben gewünscht, aber sie ist an dem Tag zu weit gegangen."
Viele Chinesen unterstützen die Todesstrafe, deswegen wurde die Reality-Show in den fünf Jahren auch nicht kontrovers diskutiert. Obwohl es ausländische Dokumentationen darüber gibt, hat allein die Ankündigung des britischen Senders BBC, am Montag über die "außergewöhnliche Talkshow" zu berichten, bereits Wellen geschlagen. Funktionäre fürchten, dass China ausgerechnet während der laufenden Tagung des Volkskongresses in Peking angeprangert werden könnte.
"Wir hatten heute früh eine Konferenz. Uns wurde gesagt, dass wir keine Interviews geben dürfen", verrät ein Mitarbeiter von Henan TV. Plötzlich ist der Link des Senders zu dem Programm gesperrt. Auch Moderatorin Ding Yu geht auf Tauchstation. Ende des Jahres schrieb sie noch in ihrem Mikroblog zum Geburtstag der Show: "Wenn ich zurückblicke auf jeden Schritt, auf jede Show in den fünf Jahren, habe ich alle möglichen Gefühle - nur ich kenne all die bittersüßen Empfindungen." Am Donnerstag war auch dieser Eintrag gelöscht.
Quelle: digitalfernsehen.de
Meist haben sie nur noch kurz zu leben. Vor ihrer Hinrichtung werden die Verurteilten noch interviewt. Millionen chinesischer Fernsehzuschauer verfolgen wie gebannt jeden Samstag zur besten Sendezeit die letzten Worte der Todeskandidaten. Der gruselige TV-Hit heißt "Interviews vor der Hinrichtung". Seit fünf Jahren läuft die Serie im Justiz-Kanal des Fernsehens der Provinz Henan. Mehr als 200 Verbrecher hat Moderatorin Ding Yu schon interviewt.
Bei dem öffentlichen Abschied auf dem Weg zum Henker fließen manchmal Tränen der Reue, doch ist nicht immer Bedauern zu spüren, eher Resignation. "Wie konnten Sie das tun? Sie sind doch keine Bestie", fragt Ding Yu in einer Episode den Anführer einer Bande, Liu Fuquan. Irrtümlich hatten die Gangster eine Zwölfjährige entführt, dann festgestellt, dass ihre Familie gar nicht reich war, das Mädchen aber trotzdem getötet.
"Dann verdiene ich die Anklage wohl", sagt Liu Fuquan ohne Bedauern. Er grinst frech, scheint auch das weitere Interview nicht ernst zu nehmen. Am Ende sagt Ding Yu: "Ich will offen sein: Ich bin froh, dass Sie geschnappt wurden. Sie sind der Abschaum der Gesellschaft." Der Bandenführer antwortet: "Jeder dürfte das sagen. Wenn ich weiterlebe, werden noch mehr Menschen zu Schaden kommen."
In China werden mehr Menschen exekutiert als im Rest der Welt zusammen. Die Zahl ist ein Staatsgeheimnis. Nach Schätzungen dürften es 4000 Menschen sein, die durch Erschießen oder Giftspritze jedes Jahr hingerichtet werden. "Die Anwendung der Todesstrafe in einem verschlossenen System, in dem es an Unabhängigkeit der Justiz und wesentlichen Rechten der Verteidigung mangelt, ist im höchsten Maße problematisch", sagt Nicholas Bequelin von der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch. Fragwürdig findet Bequelin auch die Umstände, unter denen die Todeskandidaten den Interviews zustimmen.
Die Justizbehörden suchen meist Mörder und Gewaltverbrecher für die TV-Show aus, obwohl die Todesstrafe auch wegen nicht gewaltsamer Verbrechen wie Korruption verhängt wird. Wurden Todeskandidaten früher noch in Stadien vorgeführt, soll auch die Doku-Serie der Abschreckung dienen. Erfinder Lu Peijun dankt dem "humanitären Geist der Justizreform", dass seine Show möglich wurde.
Egal ob die Verbrecher Reue oder Kälte zeigten - es habe Bedeutung für jedes Leben, "bevor die Seele den Körper verlässt", schreibt Lu Peijun im Vorwort eines Buches von Moderatorin Ding Yu über die Verbrecher. "Ich habe keine Sympathie für sie", wird der Fernsehstar in der Wochenzeitung "Shidai Zhoubao" zitiert. "Sie tun mir nur leid."
Einige schildern ihre blutigen Taten, andere entschuldigen sich bei den Familien ihrer Opfer. Den Zuschauer lässt es gruseln. "Ist angestaute Wut ausgebrochen?", fragt Ding Yu den Mörder Bao Rongting, der seine Mutter umgebracht und sich dann an ihr vergangen hat. Ob es Streit um seine Homosexualität gegeben habe? "Um es einfach zu sagen: Es ging um Geld und Sex", antwortet er. "Bedauern Sie es jetzt, Ihre Mutter getötet zu haben?", fragt sie ihn. "Nein, sie war 70", sagt der Mörder und fügt hinzu: "Ich habe ihr ein langes Leben gewünscht, aber sie ist an dem Tag zu weit gegangen."
Viele Chinesen unterstützen die Todesstrafe, deswegen wurde die Reality-Show in den fünf Jahren auch nicht kontrovers diskutiert. Obwohl es ausländische Dokumentationen darüber gibt, hat allein die Ankündigung des britischen Senders BBC, am Montag über die "außergewöhnliche Talkshow" zu berichten, bereits Wellen geschlagen. Funktionäre fürchten, dass China ausgerechnet während der laufenden Tagung des Volkskongresses in Peking angeprangert werden könnte.
"Wir hatten heute früh eine Konferenz. Uns wurde gesagt, dass wir keine Interviews geben dürfen", verrät ein Mitarbeiter von Henan TV. Plötzlich ist der Link des Senders zu dem Programm gesperrt. Auch Moderatorin Ding Yu geht auf Tauchstation. Ende des Jahres schrieb sie noch in ihrem Mikroblog zum Geburtstag der Show: "Wenn ich zurückblicke auf jeden Schritt, auf jede Show in den fünf Jahren, habe ich alle möglichen Gefühle - nur ich kenne all die bittersüßen Empfindungen." Am Donnerstag war auch dieser Eintrag gelöscht.
Quelle: digitalfernsehen.de